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Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt

„Das Kind wurde in ein Tuch gewickelt und Florentine auf die Brust gelegt. Sie konnte seinen Herzschlag spüren. Es schrie kurz, wurde dann ganz ruhig, und neben Florentines Erschöpfung, dem allumfassenden Hochgefühl und Stolz stellte sich ein unerwarteter Ernst ein. Dieser Junge ist es nun, und kein anderes Kind.
Die Schwestern versammelten sich vor dem Fenster. „Da steht ein Mann auf einem Autodach.“
Florentine lächelte. „Sagt ihm, es ist ein Junge und er hat kleine Ohren.“


Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt
Dieses Buch stelle ich mir so in mein Buchregal, dass ich das Cover sehen kann. Die rotgrünen Weinblätter auf weißem Hintergrund sind einfach zu schön, um sie zu verstecken. Und ich will in „Die Unschärfe der Welt“ auch immer wieder einmal blättern, einen Abschnitt lesen. Worte und Sätze – sie lassen mich nachdenken, sinnieren, die Schönheit von Sprache spüren.
Das Auswählen eines Zitats fiel mit schwer. Da waren so viele. Erst liebäugelte ich mit einem Zitat über den Schneefall auf dem Lande. Letztlich siegte Samuels Geburt, bei welcher auf dem Autodach der Vater steht, der das Kind sehen will. Der Vater heißt Hannes, er ist der Pfarrer im Dorf. Mit ihm lebt Florentine im Pfarrhaus. Sie kommt aus der Stadt und muss das Dorfleben erst einmal kennenlernen.
Als Samuel zweieinhalb Jahre zählt, übernachten bei ihnen zwei junge Lehrer aus der DDR, die auf der Reise zum Schwarzen Meer sind. Im stillen Erzählfluss nimmt die Geschichte ihren Lauf vor dem Hintergrund der Herrschaft des rumänischen Königs Michael und dem Sturz des Ceaușescu-Regimes.
Iris Wolff selbst wuchs dort auf. Sie emigrierte 1985 nach Deutschland und lebt heute in Freiburg im Breisgau. In ihrem Buch steht in jedem der sieben Kapitel eine andere Generation im Focus. Sie und ihr Ehemann Johann haben drei Söhne. Der Älteste, Hannes, wird Pastor.  Stets dreht es sich um die Biografie der Figuren. Um ihre Gefühle und Beziehungen, ihre Würde, ihre Eigenart, Trauer und Sehnsucht, auch um ihre Lust und Lebenstüchtigkeit. Am Ende fügt sich – trotz all der Unschärfe – das Leben aller zusammen.

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