Ich bin Vincent und ich habe keine Angst
Enne Koens: Ich bin Vincent und ich habe keine Angst
Immer wieder habe ich für einige Zeit ein Lieblingsbuch - im Sommer 2022 ist das unbedingt „Ich bin Vincent und ich habe keine Angst“ von Eine Koens (*1974 in Amsterdam). Ich lese Ausschnitte aus diesem Buch bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor, kenne es dann nach und nach so gut, dass ich mit der Geschichte jonglieren kann. Die Hauptfigur ist Vincent, 11 Jahre alt - ein liebenswerter Junge. Er wird in der Schule täglich geärgert. Um sich nicht unterkriegen zu lassen, lernt er alles über die Wildnis. Er kennt sein Survival-Handbuch auswendig und hat sich eine eigenes Survival-Kit eingerichtet. Stark will er sein, will überleben. Auch in der Schule.
Zitat: … Und dann ist es schon wieder drei Uhr. … Ich
springe auf, reiße meinen Rucksack vom Haken und sprinte als Erster zur Tür
hinaus. … Es gibt drei mögliche
Wege. Ich nehme immer einen anderen, aber die Jungen sind so schnell. … Ich bin
erst um zwei Ecken gegangen, als sie mich einholen. Ich höre ihre Schritte
immer näher kommen. Sie greifen nach meinen Armen. Nehmen mir meinen Rucksack
weg. Sie lachen. Heute sind sie zu viert. Sie werfen sich meine Brotdose zu.
Ich stehe da, wie jeden Tag, und springe hoch, um sie zu fangen, wie an allen
anderen Tagen, außer Samstag und Sonntag. Aber sie sind viel schneller und
stärker. Es hat keinen Sinn. Das weiß ich ja schon. Ich wünsche mir Spiderman-Power,
Spiderman-Muskeln, aber dieser Wunsch ist noch nie in Erfüllung gegangen und
auch heute bleibe ich ganz normal ich selbst. Je mehr ich mich anstrenge, desto
mehr Spaß bereitet es ihnen. Manchmal denke ich, dass es für sie nur ein Spiel
ist, wie Fangen auf dem Schulhof: lustig, sich Vincents Brotdose zuzuwerfen. … Sie schmeißen die Brotdose
in den Abfalleimer. Jemand schubst mich, ich falle hin und dann sind sie weg. Kommt er nach der Schule nach
Hause, ist Charlotte da - eine ältere Schülerin, die Geld dafür bekommt. Denn
Vincents Eltern arbeiten beide. Mit Charlotte hat Vincent ein tadelloses
Verhältnis, sie weiß mehr von ihm als seine Eltern. Sie weiß, dass er gemobbt
wird und sie kennt sein Survival-Kit. Vincent also hat sein Leben einigermaßen
im Griff. Doch in sechs Tagen beginnt die Klassenfahrt in ein Waldcamp. Zwischen die Kapitel
eingefügt sind Überlebensstrategien in der Natur - man erfährt, wie man Wasser
„sammeln“ kann, eine Hütte bauen, Unwetter rechtzeitig erkennen kann. Wie
fantastisch ist denn das! Und dazu die tausendschönen Illustrationen von
Maartje Kuiper. Ein Kindergeburtstag im Park
mit 10-jährigen Mädchen, auf einer Wiese. Nach einigen Spielen, Saft, Obst und
Kuchen, dem Auspacken der Geschenke setzten und legten alle sich in den
Schatten und ich begann aus „Vincent“ vorzulesen. Alle Mädchen wollten nichts
anderes mehr, ich las und erzählte das Buch bis zum Ende. Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Eine Gruppe von Grundschulkindern, Jungs und Mädchen, die sich jede Woche
trifft. Natur und Geschichten wollen sie erleben. Ab und zu übernehme ich einen
Nachmittag - so lernten sie „Vincent“ in kleinen Abschnitten kennen. Beim
letzten Treffen wollte ich zum Schluss kommen, doch alle wollten das Buch
langsam genießen und drei Kinder riefen: „Bitte nicht das Ende! Wir wollen das
Buch kaufen und selber lesen!“