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Ein springender Brunnen

Martin Walser - Ein springender Brunnen

In Wasserburg am Bodensee wuchs Autor Martin Walser (*1927) auf, seine Mutter betrieb in dem kleinen Ort die „Restauration“, eine Gaststätte. Für seinen autobiografischen Roman „Ein springender Brunnen“ schlüpfte der Autor in die Figur des kleinen Johann, am Beginn fünf Jahre alt. So konnte sich der Autor mit Abstand in seine damalige Gedankenwelt hineinversetzen. Johann vergleicht sich oft mit seinem älteren Bruder Josef, bekommt beim Friseur die Haare ratzfatz abgeschnitten (viel zu kurz), und soll auf dem Rückweg kontrollieren, ob in anderen Gaststätten mehr Gäste sitzen als bei ihnen. Man schreibt das Jahr 1932, Geld ist knapp, da sind auch Restaurant-Gäste knapp. Das Restauration führt die praktische Mutter und nicht der poetisch veranlagte Vater. Die Mutter tritt aus Geschäftsinteresse der NSDAP bei - und bald darauf beginnen die Nationalsozialisten zu herrschen.

Der Roman erschien 1998, er zählt zu den bedeutendsten Büchern des Spätwerks von Martin Walser. In der Sendung Literarisches Quartett - ausgestrahlt am 14. August 1998 - wurde der Autor kritisiert: in seinem Roman würde Auschwitz keine Rolle spielen. Auf diese Anschuldigungen reagierte der Autor im Oktober 1998 in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Damit allerdings erreichte er nur, dass zusätzlich Vorwürfe des latenten Antisemitismus gegen ihn erhoben wurden.

Martin Walser erzählt gleich am Beginn von „Ein springender Brunnen“, dass er keine direkte Kritik an der Zeit des Nationalsozialismus üben wolle. Er wolle vielmehr seine Jugend unbelastet von späteren politischen Deutungen literarisch festhalten - deshalb die Kinderperspektive. Mit Johanns kindlichen Augen sehen wir beim Lesen das ländliche Szenario der Jahre 1932 bis 1945. In Wasserburg wurde - als der 2. Weltkrieg tobte - nicht gekämpft; doch gab es Opfer: Behinderte, Oppositionelle, Homosexuelle und Soldaten. Spürbar waren die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der Einzug der Nazis in die Heimat. Erzählt wird auch von Liebe und von Johanns wachsenden Interesse für Literatur und Musik, sein freiwilliger Einsatz an der Front, die Heimkehr nach Kriegsende. Martin Walser schrieb keine Memoiren - seine Leser:innen können sich nicht genüsslich zurücklegen und teilnehmen am Leben eines Menschen, der einmal ein berühmter Schriftsteller werden sollte. Zu lesen ist von der Lust des Autors, sich immer genauer zu erinnern.

„Ein springender Brunnen“ ist auch eine Liebeserklärung an die Heimat. Diese aber verklärt der Autor nicht romantisch zur Idylle. Johann schrieb einmal - zum Entsetzen seines Lehrers: „Ohne Heimat ist der Mensch ein elendes Ding, eigentlich ein Blatt im Wind. Er kann sich nicht wehren. Ihm kann alles passieren. Er ist ein Freiwild. Er kann gar nicht genug Heimat haben. Es gibt immer zu wenig Heimat. Zuviel Heimat gibt es nie. Aber jeder muss wissen, dass nicht nur er Heimat braucht, sondern andere auch. Das schlimmste Verbrechen, vergleichbar dem Mord, ist es, einem anderen die Heimat zu rauben oder ihn aus seiner Heimat zu vertreiben.“

Das Dorf bot, wenn nichts von außen hineindrängte, Ordnung und Geborgenheit. Alles Hinzugekommene, gar Fremde - so eine englische Wirtin in einer anderen Gaststätte oder ein Wanderfotograf - waren im Dorf zwar eine spannende Abwechslung, doch zugleich auch Bedrohung. Zeit verging im Rhythmus der Jahreszeiten und kirchlichen Feste. Das Einbrechen des Nationalsozialismus in den Dorf-Alltag empfand Johann als Überfall der Worte, des Lärms. Der Roman kann einen noch lange nach der Lektüre beschäftigen; er liest sich leicht und flüssig.

2007 gab Martin Walser einen Großteil seiner Manuskripte als Vorlass an das Deutsche Literaturarchiv Marbach;  Teile davon sind im Literaturmuseum der Moderne in Marbach in der Dauerausstellung zu sehen - so auch das Manuskript von Ein springender Brunnen.


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