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Phlox

Deutschland: Schmogrow in Brandenburg

Jochen Schmidt: Phlox

Kapitel 1 - mit Micky-Maus illustriert - lautet „Gewaltfreie Kommunikation“. Hey, der Roman „Phlox“ von Jochen Schmidt (*1970 in Berlin) beginnt irgendwie cool! Jedes neue Kapitel zeigt eine geniale Illustration von Line Hoven (*1977 in Bonn), die auch das Cover gestaltet hat. Aber das dicke Buch (478 Seiten!) soll und will ja gelesen werden. Worum es geht? Am Beginn eine Autofahrt von Berlin nach Schmogrow - einem Dorf nah der polnischen Grenze. Als Kind verbrachte der Protagonist in Schmogrow seine Ferien - und fährt nun, selbst Vater, mit Ehefrau Klara und den kleinen Kindern Karl und Ricarda dorthin. Erinnerungen werden wach und mischen sich mit der Gegenwart. In der Vergangenheit beispielsweise fuhr der Vater an einem Haus mit gemalter Micky-Maus langsamer - die Kinder sollten diese westliche Comicfigur mit Muße betrachten können. Ja, der Protagonist als Kind lebte in der DDR, erlebte die Wende und lebt in der Gegenwart umweltbewusst. Er war lange nicht in Schmogrow - im Haus der Familie Tatziet - gewesen. Nun wurde das Grundstück wurde an einen Autohändler verkauft - letzte Gelegenheit für einen Besuch.

Herrlich, diese Doppelbödigkeit. Oft musste ich schmunzeln oder gar vor mich hinlachen. Man lebt heute umweltbewusst, will für die Kinder nur das Beste (beispielsweise kein Plastik). Damals aber, in der DDR, fand man alles aus dem Westen aufregend - Küchengeräte aus Plastik oder die Westluft in den Reifen der Autos von West-Besuchern im Dorf. In dem kleinen Dorf Schmogrow gab es sogar viele Bücher aus dem Westen - von Urlaubern zurückgelassen.

Indem der Autor von dem Leben in Schmogrow erzählt, auch von den Veränderungen nach der Wende - zeigt er zugleich, was es für unsere Gesellschaft bedeutet, wenn ein derartiges Dorf modernisiert - also zerstört - wird. Mit Worten zeigt er uns die Schönheit der Vergangenheit - er befindet: Schönheit kann Wunden heilen. Ja, dieses Buch ist wahrhaft schön. Doch waren das Leben in alter Zeit nicht immer nur „schön“ und „gut“. Auch davon erzählt der Autor. Es hat Russen gegeben, die Schulmädchen vergewaltigt haben, es starben Menschen an Typhus. Trotz der Schrecknisse empfand das Kind Schmogrow als Idylle. Gänsehaut überzog mich beim Lesen einer Begegnung mit einem ehemaligen Schmogrower Spielkameraden mit sechs Hunden (Bulldoggen), der zum Abschied seine geballte Faust schwingt und „Märkischer Gruß“ ruft.

Das Buch bietet noch viel mehr - beispielsweise nachdenklich stimmende Forscherfragen wie „Was ist Kunst - und woran erkennt man sie? (Anders gefragt: Gibt es überhaupt etwas, was keine Kunst ist?)“ oder „Warum sind Briefkastenschlitze horizontal, Münzschlitze aber häufig vertikal?“ Es finden sich auch Zitate, die man auf Postkarten schreiben möchte: „Man möchte in einem Haus leben, in dem einem jeder Gegenstand, den man in die Hand nimmt, … wohltut (, wie es hier in Schmogrow war.)“ Dieses Buch regte mich an zum Nachdenken und Fragen - ich will über das Gelesene mit anderen reden und diskutieren, will darin blättern, lesen und will mir die Illustrationen immer wieder anschauen.


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