Virginia Woolf: Mrs. Dalloway
„Da es ein sehr heißer Abend war, waren Korbstühle auf die Stufen vor dem Hotel gestellt worden, und hier saßen, trinkend und rauchend, einzelne Herren. Man mochte sich vorstellen, dass der Tag, der Londoner Tag, eben erst beginne. Wie eine Frau, die ihr bedrucktes Kattunkleid und ihre weiße Schürze abgestreift hat, um Blau und Perlen anzulegen, wechselte der Tag sein Kleid, legte Tuch ab, legte Tüll an, verwandelte sich in Abend, und mit einem freudigen Seufzer, wie eine Frau ihn ausstößt, wenn sie ihren Rock zu Boden gleiten lässt, warf auch der Tag Staub, Hitze, Farben ab. ...“
„Mrs. Dalloway“ von Virginia Woolf erzählt von einem Juni-Tag in London, im Jahre 1923. Clarissa Dalloway will am Abend Gäste empfangen und zieht am Morgen los, um in Westminster, in der Bond Street, den Blumenschmuck für ihr Fest zu kaufen. Unterwegs begegnet sie Menschen, grüßt und beobachtet. Dann wechselt die Erzählperspektive, wir begleiten nun beim Lesen einen Bekannten von ihr, oder einen Dienstboten. So entblättert sich vor unseren Augen ein Londoner Tag damaliger Zeit.
In London unterwegs ist an diesem Tag ebenfalls Septimus Warren Smith. Er leidet noch immer unter dem, was er im Ersten Weltkrieg erleben musste. Ihn begleitet seine Ehefrau Lucrezia.
Virginia Woolf setzt erlebte Rede, direkte Rede, inneren Monolog nebeneinander. Sie betrachtet die Figuren aus unterschiedlicher Sichtweise, erzählt von ihren Gedanken und Gefühlen. Was ist das für ein Vergnügen, diesen Roman (wieder) zu lesen, es gibt ihn seit 2020 auch als Schmuckausgabe. Beim Lesen einmal wieder so richtig in die britische Welt eintauchen, von London träumen ...
Ein weiteres Vergnügen wäre es, parallel den Roman „Die Gärten von Bloomsbury“ zu lesen. Darin schreibt die Niederländerin Joke J. Hermsen wunderbar lebendig von der Zeit, als T. S. Eliot und Virginia Woolf in London lebten und schrieben. Okay, der Roman ist vergriffen, doch eine gute Buchhandlung wie die Xanthippe besorgt natürlich auch gebrauchte Bücher.